Wir alle wissen, dass körperliche Aktivität und Training uns gut tut. Sie verbessert die Leistungsfähigkeit des Herz-Kreislauf-Systems, reduziert das Risiko von Übergewicht und den damit zusammenhängenden Spätfolgen und steigert unsere Lebenserwartung.
Aber wie steht es um körperliche Aktivität und Training während einer Schwangerschaft? Gilt hier das Gleiche?
Für Schwangere werden mindestens 150 Minuten moderate aerobe Aktivität pro Woche empfohlen (1). Frauen*, die schon vor der Schwangerschaft mit höheren Intensitäten trainiert haben, können jene beibehalten.
Tatsächlich lässt sich ein höheres Auftreten von vaginalen Entbindungen bei Frauen*, die während ihrer Schwangerschaft aktiv waren, erkennen. Außerdem kommt es zu einem geringeren Auftreten von Schwangerschafts-Diabetes, Schwangerschaftsbluthochdruck oder übermäßiger Gewichtszunahme während der Schwangerschaft. Des Weiteren reduziert sich die körperliche Fitness der Frauen* seltener und es treten weniger körperliche Schmerzen und funktionelle Einschränkungen auf. Auch Frühgeburten konnten in geringerem Ausmaß beobachtet werden. (2-20)
Körperliche Inaktivität und exzessive Gewichtszunahme werden bei einer Schwangerschaft sogar als unabhängige Risikofaktoren für eine Adipositas und andere schwangerschaftsbezogene Erkrankungen (z.B. Schwangerschaftdiabetes) angesehen. (21-23)
Die offensichtlichste Veränderung ist natürlich der wachsende Bauch und die damit einhergehende Gewichtszunahme. Dies führt zu einer Verschiebung des Körperschwerpunktes nach vorne sowie zu einer Verstärkung der Lordose der Lendenwirbelsäule. Alles zusammen führt zu einer deutlichen Mehrbelastung der Wirbelsäule. Dies könnte erklären, warum mehr als 60% aller Schwangeren Schmerzen im unteren Rücken haben. (24)
Das Herz-Kreislauf-System passt sich ebenfalls an die zusätzliche Versorgung des Fetus an. Blutvolumen, Herzfrequenz, Schlagvolumen und Herzzeitvolumen nehmen während der Schwangerschaft zu, während der Blutdruck eher sinkt. Bemerkbar macht sich dies häufig in Form von schnellerer Erschöpfung.
Bei der Auswahl der Ausgangstellungen ist zu beachten, dass ab der 20. Schwangerschaftswoche die Gebärmutter in Rückenlage auf die Bauchgefäße drücken kann. Dies kann zu niedrigem Blutdruck, Schwindel und im Schlimmsten Fall Ohnmacht führen.
Nicht zuletzt kommt es zu Veränderungen der Atmung. Aufgrund von geringen Lungenreserven ist die Fähigkeit, ein anaerobes Training durchzuführen, eingeschränkt. (25)
Obwohl Hitze, z.B. durch Sauna, Whirlpool oder Fieber mit einem erhöhten Risiko von Neuralrohrdefekten in Verbindung stehen, scheint Training kein Risikofaktor hierfür zu sein. (26-27)
Während des Trainings sollte jede Schwangere aber auf jeden Fall genug trinken, bequeme Kleidung tragen und große Hitze vermeiden. (28)
Es hat sich gezeigt, dass der Herzschlag des Fetus während und nach dem Training um 10-30 Schläge pro Minute über die Basislinie ansteigt. (29-32)
Auf das Geburtsgewicht hat der Trainingsstatus der Frau* insgesamt nur einen minimalen Einfluss. Ausnahme ist hier das dritte Trimester. Größere Anstrengungen können hier zu einem geringen Geburtsgewicht führen (200-400g). Dies war jedoch bei Untersuchungen mit keinem erhöhten Risiko für den Fetus verbunden. (33-35)
30 Minuten Training konnte gut von Frau und Fetus, unabhängig vom Trainingsstatus, vertragen werden, als in einer Kohortenstudie der arterielle Blutfluss der Bauchnabelarterie, die fetale Herzfrequenz und das biopsychische Profil nach einem anstrengenden Training im zweiten Trimester untersucht wurde. (32)
Für Leistungssportler*innen werden aber tatsächlich noch mehr Daten benötigt.
Am besten wäre es direkt im ersten Trimester zu beginnen, wenn man vorher noch kein Training gemacht hat. Eine Trainingseinheit sollte 30-60 Minuten dauern und 3-4 Mal wöchentlich durchgeführt werden. Gerne auch täglich.
Die Intensität variiert je nach Trainingszustand. <60% oder <80% der maximalen Herzfrequenz kann aber als Orientierung genutzt werden. Wie bereits erwähnt sollte man darauf achten, dass übermäßige Hitze in der Umgebung vermieden wird. Im besten Fall ist außerdem jemand dabei, der das Training betreut. Trainieren kann man bis zur Entbindung.
Ein Training sollte bei vaginalen oder abdominalen Blutungen sowie regulären schmerzhaften Schwangerschaftskontraktionen und Austritt von Fruchtwasser sofort beendet werden. Warnzeichen sind außerdem Atemnot vor einer Belastung, Schwindel, Kopfschmerz, Brustschmerz, Wadenschmerz- oder schwellung sowie eine Muskelschwäche, die die Balance beeinträchtigt. Sobald sich eine Schwangere nicht gut oder unsicher fühlt, sollte sie immer Rücksprache mit ihrer Hebamme oder ihrer Ärzt*in halten.
Es bestehen keine Nachweise dafür, dass reguläre physische Aktivität bei Frauen* mit einer unkomplizierten Schwangerschaft zu Fehl- oder Frühgeburten, einem geringen Wachstum des Fetus oder muskuloskelettalen Verletzungen führt. (19-20, 36-38) Körperliche Belastung in der Schwangerschaft gilt daher als sicher. Nicht nur das, es bringt sogar viele Vorteile.
Der ausgeführte Sport sollte aber in jedem Fall mit der betreuenden Gynäkolog*in besprochen werden. Bei Komplikationen oder Kontraindikationen sollte in Absprache mit der Ärzt*in eine individuelle Lösung gefunden werden.
Bei weiteren Fragen schreib einfach an info@physio-liv.de oder ruf direkt an.
Quellen:
(1) U.S. Department ofHealth and Human Services. Physical activity guidelines for Americans. 2nd ed.Washington, DC: DHHS; 2018.Available at: https://health.gov/paguidelines/second-edition/
(2) Berghella V, SacconeG. Exercisein pregnancy! AmJ Obstet´Gynecol2017;216(4):335–7.
(3) 31.Marin-Jimenez N, Acosta-ManzanoP,Borges-Cosic M, Baena-Garcia L, Coll-RiscoI, Romero-Gallardo L, et al.Association of self-reported physical fitness with pain during pregnancy: TheGESTAFIT Project. ScandJ Med Sci Sports 2019;29:1022–30.
(4) 32.Barakat R, PelaezM, Lopez C, MontejoR,CoteronJ. Exerciseduring pregnancy reduces the rate of cesarean andinstrumental deliveries: results of a randomized controlled trial. J MaternFetal Neonatal Med2012;25:2372–6.
(5) 33.PennickV, Liddle SD. Interventions forpreventing and treating pelvic and back pain in pregnancy. Cochrane Database ofSystematic Reviews 2013, Issue 8. Art. No.:CD001139. DOI:10.1002/14651858.CD001139.pub3.
(6) 34.Kolomanska-BoguckD, Mazur-Bialy Al.Physical Activity and the Occurrence of Postnatal Depression-A SystematicReview. Medicine (Kaunas) 2019;55:560.
(7) 35.Nakamura A, van der WaerdenJ, MelchiorM, Bolze C, El-Khoury F, Pryor L. Physical activity during pregnancy andpostpartum depression: systematic review and meta-analysis. JAffectDisord2019;246:29–41.e186
(8) 36.Marin-Jimenez N, Acosta-ManzanoP,Borges-Cosic M, Baena-Garcia L, Coll-RiscoI, Romero-Gallardo L, et al.Association of self-reported physical fitness with pain during pregnancy: TheGESTAFIT Project. ScandJ Med Sci Sports 2019;29:1022–30.
(9) 37.Wang C, Wei Y, Zhang X, et al. Arandomized clinical trial of exercise during pregnancy to prevent gestationaldiabetes mellitusand improve pregnancy outcome in overweight andobesepregnantwomen. Am J ObstetGynecol2017; 216:340–51.
(10) Magro-MalossoER, Saccone G, Di Tommaso M,Roman A, BerghellaV. Exercise during pregnancy and risk of gestationalhypertensive disorders: a systematic review and meta-analysis. ActaObstetGynecolScand2017;96:921–31.
(11) 39.Jovanovic-Peterson L, Durak EP, PetersonCM. Randomizedtrial of diet versus diet plus cardiovascular conditioning onglucoselevelsin gestationaldiabetes. Am J ObstetGynecol1989;161:415–9.
(12) 40.Garcia-Patterson A, Martin E, UbedaJ,Maria MA, de LeivaA, CorcoyR. Evaluation of light exercise in the treatment ofgestationaldiabetes. Diabetes Care 2001;24:2006–7.
(13) 41.MeherS, DuleyL. Exercise or otherphysical activity for preventing pre-eclampsia and its complications. CochraneDatabase of Systematic Reviews 2006, Issue 2. Art. No.:CD005942. DOI:10.1002/14651858.CD005942.
(14) 42.Choi J, Fukuoka Y, Lee JH. The effectsof physical activity and physical activity plus diet interventions on bodyweight in overweight or obese women who are pregnant or in postpartum: asystematic review and meta-analysis of randomized controlledtrials.PrevMed2013;56:351–64.
(15) 43.MuktabhantB, LawrieTA, LumbiganonP,LaopaiboonM. Diet or exercise, or both, for preventing excessive weight gain inpregnancy. Cochrane Database of Systematic Reviews 2015, Issue 6. Art. No.:CD007145. DOI: 10.1002/14651858.CD007145.pub3.
(16) 44.Magro-MalossoER, Saccone G, Di Mascio D,Berghella V. Exercise during pregnancy and risk of preterm birth in overweightand obese women: a systematic review and meta-analysis of randomized controlledtrials. Acta ObstetGynecolScand2017;96:263–73.
(17) 45.Di Mascio D, Magro-MalossoER, Saccone G,MarhefkaGD, BerghellaV. Exercise during pregnancy in normalweightwomen and riskof preterm birth: a systematic review and meta-analysis of randomizedcontrolled trials. Am J ObstetGynecol2016;215:561–71.
(18) 46.AdesegunD, Cai C, SivakA, ChariR,Davenport MH. Prenatal exercise and pre-gestational diseases: a systematicreview and meta-analysis. J ObstetGynaecolCan 2019;41: 1134–43.e17.
(19) de Oliveria Melo AS, Silva JL, Tavares JS,Barros VO, Leite DF, Amorim MM. Effect of a physical exercise program duringpregnancy on uteroplacental and fetal blood flow and fetal growth: a randomizedcontrolled trial. ObstetGynecol2012;120:302–10.
(20) Price BB, Amini SB, Kappeler K. Exerciseinpregnancy: effect on fitness and obstetric outcomes-a randomized trial.MedSciSports Exerc2012;44:2263–9.
(21) Obesity in pregnancy. Practice Bulletin No.156. American College of Obstetricians and Gynecologists [published erratumappears in ObstetGynecol2016;128:1450]. ObstetGynecol2015;126:e112–26.
(22) 5.DyeTD, Knox KL, ArtalR, Aubry RH,WojtowyczMA. Physical activity, obesity, and diabetes in pregnancy. Am JEpidemiol1997;146:961–5.
(23) 6.Artal R. The role of exercise in reducingthe risks of gestational diabetes mellitus in obese women. Best PractResClinObstetGynaecol2015;29:123–32.
(24) Wang SM, DezinnoP, MaranetsI, Berman MR,Caldwell-Andrews AA, Kain ZN. Low back pain during pregnancy:prevalence, riskfactors, and outcomes. ObstetGynecol2004;104(1):65–70
(25) Artal R, Wiswell R, Romem Y, Dorey F.Pulmonary responses to exercise in pregnancy. Am JObstetGynecol1986;154:378–83.
(26) MilunskyA, UlcickasM, RothmanKJ, WillettW,JickSS, JickH. Maternal heat exposure and neural tube defects. JAMA1992;268:882–5.
(27) 22.Carmichael SL, Shaw GM, Neri E, SchafferDM, SelvinS. Physical activity and risk of neural tube defects. MaternChildHealth J 2002;6:151–7
(28) American College of Sports Medicine. ACSM’sguidelines for exercise testing and prescription. 10th ed. Philadelphia,PA:Wolters Kluwer; 2018.
(29) Carpenter MW, Sady SP, Hoegsberg B, SadyMA, Haydon B, Cullinane EM, et al. Fetal heart rate response to maternalexertion. JAMA 1988;259:3006–9.
(30) 24.Wolfe LA, WeissgerberTL. Clinicalphysiology of exercise in pregnancy: a literature review. J ObstetGynaecolCan2003;25:473–83.
(31) 25.ArtalR, Rutherford S, RomemY, KammulaRK,DoreyFJ, WiswellRA. Fetal heart rate responses to maternal exercise. Am JObstetGynecol1986;155:729–33.
(32) 26.Szymanski LM, Satin AJ.Exerciseduringpregnancy: fetal responses to current public health guidelines.ObstetGynecol2012;119:603–10.
(33) Kramer MS, McDonald SW. Aerobicexerciseforwomenduring pregnancy. Cochrane Database of Systematic Reviews 2006,Issue 3. Art. No.: CD000180. DOI: 10.1002/14651858.CD000180.pub2.
(34) 28.Lokey EA, Tran ZV, Wells CL, Myers BC,Tran AC. Effects of physical exercise on pregnancy outcomes: ametanalyticreview. Med Sci Sports Exerc1991;23:1234–9.
(35) 29.LeetT, Flick L. Effect of exercise onbirthweight. Clin ObstetGynecol2003;46:423–31.
(36) Barakat R, Pelaez M, Montejo R, Refoyo I,Coteron J. Exercisethroughout pregnancy does not cause preterm delivery: arandomized, controlled trial. J Phys Act Health 2014;11:1012–7.
(37) 10.OweKM, Nystad W, SkjaervenR, StigumH, BoK. Exerciseduring pregnancy and the gestational age distribution: a cohortstudy. Med Sci Sports Exerc2012;44:1067–74.
(38) 11.ThangaratinamS, RogozinskaE, Jolly K,GlinkowskiS, DudaW, BorowiackE, et al. Interventions to reduce or preventobesity in pregnant women: a systematic review. Health Technol Assess2012;16:iii–iv, 1–191.